Glossar zum jüdischen Leben
u. a. zusammengestellt von der Leipziger Rabbinerin Esther Jonas-Märtin
„Bat-Hillel“ – hebr. Tochter von Hillel. Traditionell tragen Jüd:innen einen hebräischen Namen für religiöse Kontexte, der aus einem (oder zwei) Vornamen besteht und den Vornamen beider Eltern. Auffallend ist, dass Sophie Schneider sich selbst „Tochter von Hillel“ nennt aber nicht den Namen der Mutter erwähnt. Das kann auch darauf hindeuten, dass sie sich selbst in einer bestimmten rabbinischen Tradition verortet, der Schule von Beth Hillel. Hillel (110 v.d.ü.Z – 10 d.ü.Z. ) war ein berühmter Rabbiner und Begründer einer Denkweise, die bis heute Grundlage für religiös-rituelle Grundsatzentscheidungen ist. Rabbiner Hillel gilt als der Erfinder der goldenen Regel: Was dir selbst verhasst ist, das füge auch keinem anderen zu“.
Beschneidung – hebräisch: Brit Milah, eine Beschneidung wird durchgeführt von einem ausgebildeten Mohel (männliche Form) oder einer Mohelet (weibliche Form). Am 8. Lebenstag wird ein männliches Baby beschnitten. Vorausgesetzt das Kind ist gesund, wird in einem festgelegten Ritual die Vorhaut des Penis entfernt. Die Beschneidung wird, selbst bei nichtreligiösen Menschen, im Judentum als Zeichen des Brit, als Zeichen des Bundes mit Gott, verstanden.
Betzalel – war der Hauptkünstler beim Bau des Tempels (Exodus 31:1-6 und Kapitel 36-39). Der Name Betzalel bedeutet: „im Schatten/im Schutz Gottes“, und so war Betzalel auch derjenige, der den Auftrag bekam, den Tempel und dessen Ausstattung zu gestalten, ebenso wie die Gewänder der Priester, das Öl und die Duftstoffe, die für den Gottesdienst gebraucht wurden.
Deuteronomium – das fünfte Buch der Torah. Die Torah besteht aus: Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium. Die Torah ist ein Teil des Tenakh, des Biblischen Schrifttums im Judentum: Torah, Nevi’im (Propheten) und Khetuwim (Chroniken).
Friedhof – hebr. Bet ha-chajim/Bet olam: Haus des Lebens/Haus der Ewigkeit. Traditionell ist die Erdbestattung vorgeschrieben. Eine jüdische Grabstätte ist auf ewig unverletzlich, eine „beschränkte Friedhofsruhe“ wie auf kirchlichen oder kommunalen Friedhöfen gibt es nicht. Beerdigungen finden nicht an Festtagen statt.
Kopfbedeckungen: 1. Kippa – traditionell die ständige Kopfbedeckung für gesetzestreue männliche Juden. Inzwischen entscheiden mehr und mehr Frauen sich für eine Kippa als religiöse Kopfbedeckung. 2. Perücke – auch Scheitel genannt, ist traditionell die Kopfbedeckung für die verheiratete Jüdin. Als Zeichen dafür, dass sie verheiratet ist, sollte sie ihr natürliches Haar verhüllen. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts haben Frauen dafür vorwiegend Tücher verwendet, als aber Perücken Mode wurden (in Frankreich, Deutschland und Polen) waren Jüdinnen davon so begeistert, dass sie diese Variante nicht nur für sich annahmen, sondern dies auch gegenüber dem Rabbinat durchsetzten. 3. Hut/Mütze oder andere Formen – Das Gebot der Kopfbedeckung ist religiöse Pflicht, allerdings ist es jenseits von Traditionen (1 und 2) die Entscheidung jeder/s Einzelnen welche Form oder Größe als die geeignete erscheint.
Synagoge – hebr. Beth Knesset: Haus der Versammlung. Ort für Gebet, für gemeinsames Lernen und Feiern. Es hat sich eingebürgert, dass Gebet an eine Synagoge gebunden ist, aber Gebet kann überall stattfinden: in der Natur oder in jedem Haus, jeder Wohnung mit einer Mesusa.
Mesusa – dekoratives Behältnis an den Türpfosten eines Hauses und der Wohnung, das eine kleine Schriftrolle mit den biblischen Versen des Deuteronomium 6:4–9 und 11:13–21 enthält. Die Mesusa markiert die Stellen des Überganges hauptsächlich von der privaten in die öffentliche Sphäre und erinnert an die Gegenwart Gottes.
Pentateuch – bezeichnet die Einheit der 5 Bücher Mose, ein Gefüge aus 5 (griechisch: penta) Rollen τεύχω [teuchō] = verfertigen). Die jüdische Tradition bezeichnet dieses Werk als Tora, als Weisung Gottes für sein Volk Israel. Als Weisung Gottes zu rechtem Wandel gelten nicht allein die Rechtssätze aus den Büchern Exodus bis Deuteronomium, sondern auch die erzählenden Passagen. Die Gleichung Tora = Gesetz rührt von der Septuaginta-Übersetzung νόμος (nomos) her, die aber das Bedeutungsspektrum von תּוֹרָה (tôrāh) zu sehr einschränkt. Die Bezeichnung “5 Bücher Mose” gibt es nicht. Gemeint ist mit „Mose“ nicht der Verfasser des Werkes, sondern es bezeichnet die Hauptperson dieser Texte. Wichtig ist demnach, dass dieser Name die Perspektive der übergreifenden Einheit hinter den einzelnen Büchern betont.
https://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/altes-testament/torapentateuch/
Schächten – vorgeschriebenes rituelles Schlachten von gesunden Tieren, die von Menschen geschlachtet werden dürfen (das sind: Tiere mit gespaltenen Hufen UND Wiederkäuer, Geflügel, Fisch mit Flossen UND Schuppen). Das Schächten wird von besonders geschulten und ausgebildeten Menschen, den Schochet, ausgeführt. Beim Schächten wird die Kehle und damit die Halsschlagader des Tieres mit einem einzigen Schnitt durchtrennt. Das Messer muss fehlerfrei sein und besonders scharf. Das Tier ist durch den plötzlichen Blutverlust und die Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr innerhalb von Sekunden betäubt und blutet komplett aus (was nicht geschehen würde, wenn das Tier vor dem Schnitt betäubt werden würde). Blut ist nach den biblischen Geboten zum Verzehr nicht erlaubt, denn das Blut ist der Sitz der Seele und ein Symbol des Lebens. Da Jüdinnen und Juden der Verzehr von Blut verboten ist, muss das Tier komplett ausbluten, damit das Fleisch erlaubt ist. Nach der Schlachtung wird das Tier zerlegt und es wird nun nochmals darüber entschieden, ob das Tier gesund war. War das Tier krank dann ist das Fleisch verboten, auch wenn eine rituell korrekte Schlachtung erfolgt ist.
Speisegebote – leiten sich aus den biblischen Vorschriften über die zum Verzehr freigegebenen Tiere ab; Früchte, Getreide und Gemüse sind generell erlaubt, Milch- und Fleischprodukte werden streng getrennt, Schweinefleisch und Meeresfrüchte werden nicht gegessen. Der Genuss von Aas und von Blut ist nach den biblischen Geboten nicht erlaubt, denn das Blut ist der Sitz der Seele und ein Symbol des Lebens. Die rituelle Reinheit wird mit dem hebräischen Begriff kascher (ugs. koscher) bezeichnet. Neben den Nahrungsmitteln wird auch der Ort, an dem sie zubereitet oder verkauft werden, als „koscher“ bezeichnet. Die Kaschrut ist das Regelwerk zum rituell korrekten Umgang mit Nahrungsmitteln.
Synagoge – hebr. Beth Knesset: Haus der Versammlung. Ort für Gebet, für gemeinsames Lernen und Feiern. Es hat sich eingebürgert, dass Gebet an eine Synagoge gebunden ist, aber Gebet kann überall stattfinden: in der Natur oder in jedem Haus, jeder Wohnung mit einer Mesusa.
Talmud /talmudisch – ein zwischen dem 2.-6. Jahrhundert d.ü.Z. entstandener vielstimmiger rabbinischer Kommentar über religiöse und zivile Themen. Der Talmud ist mit seinen vielschichtigen Betrachtungen von Gesetzen, Geschichten und Brauchtum das Fundament jüdischen Studiums und jüdischer Praxis. Kennzeichnend für den Talmud ist die Streitkultur, die uns damit überliefert wurde und „talmudisch“ nicht nur als eine zeitliche Einordnung beschreibt, sondern als eine Form des Argumentierens.
Strömungen im Judentum
Orthodoxes Judentum – versucht jüdische Tradition, Gesetz und Ritus weitgehend unverändert zu erhalten (beinhaltet Ultra-Orthodox, Moderne Orthodoxie und Chassidismus). Frauen sind bis auf wenige Ausnahmen nicht zum Rabbinat zugelassen, aber z.B. Yeshiva Maharat in New York bietet die Ausbildung für orthodoxe Frauen an: Rabbinerin Rebecca Blady arbeitet inzwischen in Berlin.
Masorti/Konservativ – Nicht-Orthodoxe Bewegung, die jüdische Tradition durch ein sich weiter entwickelndes Gesetz bewahren will. Frauen sind zum Rabbinats-Studium zugelassen: Rabbinerin Amy Eilberg wurde 1985 als erste Frau am Jewish Theological Seminary, New York, ordiniert.
Liberales Judentum – bezeichnet die nicht-orthodoxe Bewegungen in Deutschland (auch unter dem Begriff „Reformjudentum bekannt) ebenso wie deren nachfolgende in Israel, Großbritannien und den USA. Die erste Frau, Rabbinerin Regina Jonas, wurde 1935 in einer Privatordination durch Rabbiner Max Dienemann in Berlin in das Amt gehoben. Durch die Shoah verursacht, gab es erst 1972 mit Rabbinerin Sally Priesand wieder eine Frau im Rabbinat, ordiniert vom Hebrew Union College, Cincinatti.
In Deutschland gibt es 11 Rabbinerinnen (Stand Dezember 2020).
Die Feiertage:
Der jüdische Kalender besteht aus 12 Monaten, die – anders als im islamischen Kalender – durch einen Schaltmonat so reguliert werden, dass sie zwar einerseits beweglich sind, andererseits aber nicht durch das ganze Jahr „wandern“ können.
https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/kalender-at/ch/3cbe2395e01b677ca96643b0e8928a35/#h0
Chanukkah – 25. Kislew (November/Dezember; Kislew ist der dritte Monat nach dem jüdischen Kalender) Das Fest, das an die Wiedereinweihung des Tempels erinnert. Der Tempel war nach der Zerstörung und Entweihung durch die Griechen von den Makkabäern zurückerobert wurden. Für die Wiedereinweihung wurde besonderes Öl benötigt, was aber nur in der Menge für einen Tag vorhanden war… das Öl reichte aber für die gesamten ACHT Tage, die für die rituelle Weihe des Tempels notwendig waren. Daher feiern Jüdinnen und Juden Chanukkah für acht Tage, zünden jeden Tag eine Kerze mehr auf der Chanukkiah an und verzehren Speisen, die in Öl gebacken werden, z.B. Pfannkuchen. Der Chanukkiah ist der achtarmige Leuchter mit einem 9. Licht, das die anderen an den entsprechenden Tagen entzünden soll.
Jom Kippur – am 10. Tischri (September/Oktober) Abschluss der 10 Tage der Ehrfurcht, Versöhnungstag. Tag des Fastens, Tag der Buße und des Bekennens von eigenen Fehlern, Versäumnissen und Nachlässigkeiten gegenüber Gott, durch den Fokus auf Gebet und auf die Seele.
Pessach – ab dem 15. Nissan (März/April) Das Fest, das gefeiert wird an die Erinnerung des Auszugs aus Ägypten: Von der Sklaverei in die Freiheit.
Das Fest wird 8 Tage lang begangen; jegliches Gesäuertes wird für diese Zeit aus dem Haus verbannt. „Jegliches Gesäuertes“ meint Brot, Bier, Essig etc. Es gibt für diese Zeit spezielle “Koscher lePessach” Lebensmittel.
Der Vorabend und Auftaktabend von Pessach heißen „Seder-Abend“ und wird begangen mit rituellen Festmahlen. Vor allem an diesen Abenden erfolgt die Weitergabe der Geschichte des jüdischen Volkes: L’dor va’dor – Von Generation zu Generation
Purim – am 14. Adar (Februar/März) Das Fest, das an die Rettung der jüdischen Menschen Persiens (heute Iran) durch Königin Esther erinnert. Ein fröhliches Fest, an dem Kinder und solche, die es geblieben sind, sich gerne verkleiden.
Rosch Haschanah – Rosch Haschanah – am 1. Tischri (September/Oktober) ist ein Fest, das 2 Tage lang ein neues jüdisches Jahr feiert. Mit Rosch Haschanah beginnt eine Zeit von 10 Tagen des Nachdenkens und der Bilanzziehung über das vergangene Jahr, wobei Versöhnung mit Menschen zu suchen ist, denen wir Unrecht getan haben. Die Zeit der Bilanz findet ihren Höhepunkt im Jom Kippur, wo Rechenschaft abgelegt wird gegenüber Gott.
Schavuot – 6./7. Siwan (Mai/Juni) heißt das Wochenfest, weil es 7 Wochen nach Pessach gefeiert wird. Es ist das Fest der Ernte, dauert zwei Tage und erinnert an die Offenbarung und die Gabe der Gesetzestafeln mit den 10 Geboten, die der Überlieferung nach Mose am Berg Sinai von Gott erhalten hat. Traditionell wird eine ‚Lern-Nacht‘ abgehalten, in der Menschen oft bis zum Morgengrauen gemeinsam Texte der Hebräischen Bibel studieren u.a. das Buch Ruth lesen oder auch anderes Wissen lernen.
Simchat Torah – 23. Tischri (September/Oktober; Tischri ist der erste Monat nach dem jüdischen Kalender) Das Fest der Torahfreude. Fest, das gleich im Anschluss an Sukkot den jährlichen Lesezyklus der Torah (5 Bücher Mose) abschließt und einen neuen Zyklus beginnt.
Sukkot | Laubhüttenfest – ab dem 15. Tischri (September/Oktober; Tischri ist der erste Monat nach dem jüdischen Kalender). Das Fest, das an die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste erinnert. Acht Tage lang werden wenigstens die Mahlzeiten in einer selbstgebauten Hütte eingenommen, durch deren Dach man die Sterne sehen soll, manche Menschen leben für die ganze Zeit in der Hütte. Jüdische Gemeinden errichten meist ihre eigenen Sukkot (Laubhütte), so dass Menschen darin “wohnen” können, insbesondere dann, wenn sie selbst keine Möglichkeit haben, selbst eine Hütte zu bauen. ‚Nur hingehangene Zweige‘ genügen nicht, um die Mitzwah, das Gebot, zu erfüllen.
Jedes jüdische Fest, insbesondere aber Sukkot, ist ein Fest, das Gastfreundschaft und Tzedakah (lit. Gerechtigkeit, d.h. Gaben für Bedürftige) betont.
Yeshiva Maharat – jüdische Bildungseinrichtung nur für Frauen in New York